Quierschieder? Es kann nur einen geben!

Foto: Andreas Schlichter
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Fotos: Andreas Schlichter – fotoschlichter.com

Lutz Maurer befindet sich seit Wochen in einer sehr speziellen Situation. Der 50-Jährige ist seit Anfang März dieses Jahres Kandidat bei der Bürgermeisterwahl im saarländischen Quierschied und befindet sich seither im Wahlkampf. Das allein ist nichts Besonderes. Besonders ist, dass er allein ist. Maurer ist nämlich der einzige Kandidat, der zur Wahl steht. Die Bürgerinnen und Bürger aus Quierschied, Fischbach, Camphausen und Göttelborn stimmen am kommenden Sonntag, den 31. Mai nur noch darüber ab, ob der Parteilose Bürgermeister werden soll, oder eben nicht. Mit Dirk Noll fand sich zwar ein Gegenkandidat, allerdings erreichte dieser nicht die erforderlichen 99 Unterschriften der Bevölkerung, um zur Wahl zugelassen zu werden. Maurer würde im Falle eines für ihn positiven Wahlausgangs Nachfolger der früheren Landtags-Vizepräsidentin Karin Lawall (SPD), die nach acht Jahren aus Altersgründen Anfang 2016 aus dem Amt scheiden wird. Lawalls SPD und die CDU des Fraktionsvorsitzenden Timo Flätgen haben Maurer und seinem Slogan „Einer für alle“ früh ihre Unterstützung zugesagt.

„Es ist nicht unbedingt leichter als einziger Kandidat“, sagt Lutz Maurer und blickt gedanklich auf seinen mehrwöchigen Wahlkampf ohne echten Gegner zurück: „Ein banales Beispiel: Eine Podiumsdiskussion macht schon einmal keinen Sinn, weil es keine Unterschiede herauszuarbeiten gilt. Von daher habe ich das persönliche Gespräch mit den Wählern gesucht und konnte dabei Vieles aufnehmen.“ Es braucht nicht die Brille eines Politikwissenschaftlers um festzustellen, dass Wahlen, bei denen es nur einen Kandidaten gibt, nicht den Idealtypus der demokratischen Idee darstellen. Auch die zuletzt überall schrumpfende Wahlbeteiligung dürfte dadurch keine historische Trendwende erleben. Dennoch könnte es in diesem Falle demokratischen Prozessen in Quierschied zuträglich sein. Maurer weiß, dass er sich nicht per se der Gemeinderatsmehrheit sicher sein kann. Das will er auch gar nicht. „Als Bürgermeister ist es gut, frei und unabhängig im Sinne und zum Wohle der Gemeinde entscheiden zu können“, sagt er und sieht Kontakte in unterschiedliche Parteien als Vorteil: „Natürlich muss man auch Netzwerke nutzen, um gute Entscheidungen treffen und vor allem auch umsetzen zu können.“

„Warum tut er sich das an?“

Foto: Andreas Schlichter
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Die Reaktionen aus dem persönlichen Umfeld auf die Kandidatur waren unterschiedlich. Einige seiner Freunde und Bekannten fragten sich: „Warum tut er sich das an? Er hat doch einen guten Job.“ Andere wiederum riefen ihm zu: „Du bist genau der richtige Mann.“ Letzteres trifft unbestritten auf die Meinungen seiner Frau Sandra (44 Jahre) und seines Sohns Matthis (14) zu. Ersteres eher auf seinen Arbeitgeber, der ihn nach 16 Jahren nur sehr schweren Herzens ziehen lässt. Bei der weltweit agierenden Firma Dürr aus Püttlingen war Lutz Maurer Leiter des Projektcontrollings und somit für viele Bereiche zuständig, die auch dem Aufgabenpool eines Bürgermeisters zuzuordnen sind: Kaufmännisches und Vertragswesen ebenso wie Prüfung und Evaluierung von Zahlen und Statistiken. Das geschah nicht selten bei Kunden vor Ort – und das wiederum nicht selten in Asien. „Mir wäre die häufige Fliegerei nach China auf den Keks gegangen. Und mit 50 darf man ruhig noch einmal die Richtung ändern“, meint Klaus Schuh und ergänzt: „Ich habe mich auch erst gefragt, warum er sich das antun will. Er geht als Bürgermeister ja nie vor die Tür und ist nicht auf der Arbeit. Aber dann dachte ich mir: Lutz ist dafür genau der richtige Typ.“ Schuh ist einer von Maurers besten Freunden, beide kennen sich seit über 30 Jahren: „Er ist ein ehrlicher Knochen, sehr verlässlich und durchaus auch unterhaltsam“, beschreibt Schuh seinen Freund, der gleichzeitig Patenonkel seiner neunjährigen Tochter Lena ist. „Sie ist natürlich ganz stolz auf ihren Pat“, verrät Schuh, „Überall im Ort sind Plakate zu sehen und liegen Flyer von ihm aus. Das beeindruckt sie schon sehr.“

Erste Kontakte zur Kommunalpolitik kamen über die ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzender des Fußballvereins Sportvereinigung Quierschied zustande. Als dieser – gerade in die unterste Spielklasse abgestiegen – 2009 einen Vorstandsvorsitzenden suchte, ließ sich Maurer von Sighard Groß und vom früheren Quierschieder Bürgermeister und aktuellen Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Klaus Meiser zur Kandidatur überreden. Offensichtlich zu beider Seiten Vorteil: der Verein ist in den vergangenen sechs Jahren drei Mal aufgestiegen, hat sein Gelände mit einem Kunstrasenplatz aufgewertet und steht auch wirtschaftlich wieder auf gesunden Füßen. Mit gesunden Füßen kickte Maurer auch schon selbst für den Club. Im Alter von fünf Jahren ging es los – nach der A-Jugend war aufgrund des Wehrdienstes und des BWL-Studiums in Mannheim für den Linksaußen Schluss. Über seinen 14-jährigen Sohn Matthis Maurer, mittlerweile Innenverteidiger beim C-Jugend-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken, kam er dann wieder intensiver mit seinem Heimatverein in Kontakt und wurde wie beschrieben wenig später dessen Vorsitzender.

„Bei ihm stimmt einfach die Mischung“

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„Lutz zieht das, was er sich vorgenommen hat, immer zu 100 Prozent durch. Er geht aufrichtig und ehrlich auf jeden zu, handelt sehr verantwortungsbewusst und hat wie jeder Mensch auch Ecken und Kanten“, sagt Jürgen Andreis, der fünf Jahre lang als 2. Vorsitzender zusammen mit Maurer den Verein führte: „Man kann sagen: Er hat einen sehr großen Anteil daran, dass sich bei der Spvgg. Quierschied alles zum Positiven bewegt hat.“ Besonders schätzt Andreis die Eigenschaft, dass „er auch bereit ist, eine andere Idee seiner vorzuziehen, wenn sie auch wirklich besser ist. Dann versucht er mit aller Entschlossenheit, diese neue Idee umzusetzen.“ Gerade bei Kontroversen die Rolle des Moderators zu übernehmen, kann einem parteilosen Verwaltungschef nur zu Gute kommen. Auch Klaus Meiser sieht hier Maurers Stärken: „Die Fähigkeit, die Menschen einzubinden verbindet er mit Führungskraft und der Gabe, Entscheidungen fällen und durchsetzen zu können. Bei ihm stimmt einfach die Mischung, um das Amt des Bürgermeisters ausfüllen zu können.“ Für seinen Heimatverein bezeichnet Meiser den 50-Jährigen als „Glücksfall“. Der Verein würde von ihm vorbildlich geführt und habe sich sowohl sportlich als auch wirtschaftlich „hervorragend konsolidiert“, lobt der Berufspolitiker und betont: „Dadurch, dass viele Quierschieder Jungs bei der Sportvereinigung spielen, hat sich auch wieder eine hohe Identität mit dem Verein entwickelt.“ Das alles will sich Maurer nicht alleine zuschreiben lassen. „Ich war ja nur eine Person im Vorstand. Die wesentlichen Schritte haben wir als Team entschieden“, sagt er und gibt zu: „Die Herangehensweise war und ist eine mit einem hohen Arbeitsaufwand, aber eben auch mit den entsprechenden positiven Ergebnissen.“ Dass er diese Aufgabe künftig nicht mehr ausüben wird, bedauert er sehr: „Die Weiterführung des Amtes ist zwar rechtlich nicht untersagt, aber lässt sich natürlich nicht miteinander vereinbaren und das tut schon weh“, muss er eingestehen.

Die Zielgruppe erweitert sich von Vereinsmitgliedern zu den Bürgerinnen und Bürgern der gesamten Gemeinde Quierschied. Die beschreibt Lutz Maurer, der schon immer in Quierschied lebte und dort im Eigenheim wohnt, wie folgt: „In Quierschied sind die Leute sehr offen. Wir haben hier eine recht große und breite Vereinskultur in allen Bereichen. Sei es Sport, Kultur, Hilfsdienste oder andere. Auf dieser Schiene wird auch unheimlich viel für die Gemeinde getan.“ Natürlich denke er auch an eine Zeit von vor 20, 30 Jahren, als es um die Gemeinde vor allem wirtschaftlich besser stand. „Die ortsnahe Arbeitsplatzsituation wird auch nicht mehr so werden wie zu Bergbau-Zeiten. Da muss man heute eben kleinere Brötchen backen“, weiß er. Für seine sachliche Art bekam er während des „Wahlkampfs“ überwiegend positive Rückmeldungen: „Natürlich war das Thema ‚einziger Kandidat‘ das am häufigsten angesprochene. Sehr positive Rückmeldung bekam ich allerdings für den Umstand, selbst keiner Partei anzugehören“, berichtet Maurer und hofft auf möglichst wenige „Nein“-Stimmen, eine „vernünftige“ Wahlbeteiligung und der damit einhergehenden Legitimation der Bevölkerung. Aus der speziellen Situation des einzigen Kandidaten würde sich dann die gar nicht so ungewöhnliche des einzigen neuen Bürgermeisters von Quierschied ergeben.

Verfasst für FORUM – Das Wochenmagazin im Mai 2015.

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„Schule ist eine Dienstleistungs-Institution“

Projekt will Schülern durch Sport vermitteln, was gesund essen bedeutet; Agentur „Ganztägig lernen“ gibt Tipps zur Freizeit-Gestaltung von Kindern in Ganztagsschulen – SZ-Serie, Teil 8

Die Herausforderung für Ganztagsschulen ist, dass Schüler nicht nur ihre Bildungszeit, sondern auch viel ihrer Freizeit dort verbringen. Die Schule muss ihnen also etwas bieten – am besten etwas mit viel Bewegung.Am Saarbrücker Gymnasium am Rotenbühl fand der „Sports Finder Day“ statt. Schüler konnten an 34 Stationen Einzeln oder in Mannschaften an Aktionen teilnehmen, die die Bereiche Sport und Gesundheit verknüpften. Die dritte Schulsportstunde ist ein heißes Eisen – das zeigen die Reaktionen auf unsere Serie. Meinungen und Ideen sind gut für Diskussionen. Was zählt, sind aber Taten – sowohl in der Politik als auch in den Schulen.

Saarbrücken. „Freizeit im Ganztag mal anders . . .   II – Nachmittags- und Ferienangebote kreativ gestalten“ – so heißt eine Fachtagung der Service-Agentur „Ganztägig Lernen“ und des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), die in der Sportschule in Saarbrücken stattfand. Mit der Einführung der Freiwilligen Ganztagsschulen und der Ausweitung teil- und vollgebundener Ganztagsschulen muss der Institution „Schule“ nach Meinung von Initiatorin Anette Becker eine neue Bedeutung beigemessen werden. „Schule ist mittlerweile nicht mehr nur eine Bildungs-Institution, sondern eine Dienstleistungs-Institution“, erklärt sie – und schiebt nach: „Das muss bei den Schulen ankommen.“

Becker ist die Projektleiterin der Service-Agentur „Ganztägig lernen“ im Saarland. Vor dieser Tätigkeit begleitete sie drei Jahre lang die Einführung der Freiwilligen Ganztagsschule als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Sie hat darüber „sehr vielfältige Einblicke in die Problemlagen der Schulen bekommen“, wie sie sagt. Wesentliche Herausforderung für Ganztagsschulen ist, dass die Schüler nicht nur ihre Bildungszeit, sondern auch viel ihrer Freizeit dort verbringen. Die Schule muss ihnen also etwas bieten – am besten etwas mit viel Bewegung. „Viele Erzieher leiden auf Grund der Enge der Zeit an Ideenmangel und scheuen davor, Konzepte für die Freizeit-Gestaltung zu entwickeln“, beklagt Becker und stellt klar: „Dabei muss Konzept-Entwicklung nicht zwangsläufig mit viel Arbeit verbunden sein. Man kann auch schon mit kleinen Dingen Großes bewirken.“

Anregungen, wie das pädagogische Fachpersonal dies auch ohne sportspezifische Ausbildung machen kann, wurden bei der Fachtagung an der Saarbrücker Sportschule in unterschiedlichen Workshops und bei Vorträgen vermittelt. „Wir wollen ihnen die Möglichkeiten nahelegen, was man mit Kindern alles machen kann. Ohne, dass man besondere Materialien oder Utensilien dazu braucht. Und wobei man sich rechtlich und versicherungstechnisch auf der sicheren Seite bewegt“, erklärt Becker.

Um welche Art von Spielen es sich handeln kann, erklärten Fabian Theobald, Dirk Mathis und Achim Raubuch in ihren Vorträgen. Theobald, unter anderem Trainer beim Erlebnispädagogischen Zentrum Saar, referierte über „Erlebnispädagogische Übungen für drinnen und draußen“. Handball-Landestrainer Mathis sprach über „Spiele wie aus Omas Nähkästchen“. Und Sportlehrer Raubuch vom LSVS referierte über „Bewegte Pause – Spiele für den Pausenhof und die Turnhalle“. „Es geht auch ein Stück weit darum, sich wieder auf das zu besinnen, was man vor 30, 40 Jahren automatisch auf dem Schulhof gemacht hat und damit bei den Kindern niedrigschwellig den Spaß an der Bewegung zu fördern“, sagt Becker und nennt beispielhaft einfache Nachlauf- oder Fangspiele.

Mit Resonanz und Ablauf der Veranstaltung ist man bei der Service-Agentur zufrieden. Mehr als 70 Teilnehmer hörten sich die Vorträge an und machten bei den Workshops mit. „Es ist ja so, dass das Landesinstitut für Pädagogik und Medien sehr viele Fortbildungen für Lehrer, aber nicht für pädagogische Fachkräfte anbietet“, erklärt Becker und nennt die Fortbildungsreihe „Sport und Bewegung im Ganztag“ der Service-Agentur, des LSVS und des Bildungsministeriums, die genau das in acht Modulen speziell für Erzieher anbietet.

Einen Fachtag zum Thema Sport und Bewegung wird es so schnell nicht noch einmal geben, aber laut Becker in der nächsten Zeit „auf jeden Fall vereinzelte Angebote zu dieser Thematik“. > wird fortgesetzt

saarland.ganztaegig-lernen.de

Bewegung, Ernährung, Entspannung

Saarbrücken. „Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Die Kinder waren zum größten Teil begeistert“, sagt Lothar Altmeyer, Studiendirektor und Leiter des Sportzweigs am Saarbrücker Gymnasium am Rotenbühl, über den ersten „Sports Finder Day“, der an seiner Schule stattfand. Initiatoren des Projekts sind die Sportjugend Hessen und Nutella. Veranstalter in Saarbrücken waren außerdem die Schule und die Sportjugend Saarland.

Kontakt zu lokalen Vereinen

Unter dem Motto „Bewegung, Ernährung und Entspannung“ wurden etwa 600 Schüler der Klassenstufen fünf bis neun 34 Stationen geboten, an denen sie Einzel- oder Mannschafts-Aktionen in den Bereichen Sport und Gesundheit wahrnehmen und in Kontakt mit lokal angesiedelten Vereinen treten konnten. Zu den Stationen gehörten beispielsweise eine Kletterwand, eine Straßenfußball-Arena und ein Frisbee-Parcours.

Stempel für Leckereien

Pro Station gab’s einen Stempel, für den der Teilnehmer sich an einem Frühstücksbüfett kleine und große Leckereien „kaufen“ konnte. Die eher ungesunden kosteten viele, gesündere Produkte weniger Stempel. Ein Stück Kuchen war vier Stempel wert, Müsli oder Obstsalat zwei. Ebenfalls zwei Punkte kostete eine Scheibe Nutella-Brot.

„Den Kindern wurde bewusst, was gesunde Ernährung bedeutet und was nicht“, sagt Altmeyer, der sich über die Resonanz freut: „Im Schnitt war jedes Kind an etwa neun Stationen aktiv. Es war für jeden etwas dabei und es wurden durchweg alle Sinne angesprochen.“ Er empfiehlt das Projekt weiter: „Diese Erfahrung sollten auch andere Schulen einmal machen. Wir waren die erste im Saarland und wollten der Wegbereiter sein.“ zen

sportsfinderday.de

Zeit und Ideen gefragt – von Politikern und Lehrern

St. Wendel/Saarbrücken. „Wenn den Politikern die dritte Sportstunde so wichtig wäre, wie sie der SZ-Serie ,Schule und Sport‘ erklärt haben, könnte man sie auch einführen“, sagt Martin Mathias. Er ist seit mehr als 30 Jahren als Diplom-Sportlehrer tätig und zudem Moderator für Grundschul-Sportunterricht im Schulbezirk St. Wendel. „Aber ich brauche keine dritte Sportstunde“, sagt er: „Wenn ich in der Halle bin, haben die Kinder 40 Minuten Sport von 45 Minuten Unterrichtszeit. Nicht, weil ich so gut bin, sondern weil ich die Zeit und die Möglichkeiten dazu habe.“ Fünf Minuten haben die Grundschüler Zeit, sich umzuziehen. Verspäten sie sich, müssen sie Kniebeugen machen.

Mathias hat im Gegensatz zu einem Grundschullehrer nichts anderes zu erledigen, als den eigentlichen Sportunterricht. „Man müsste mehr ausgebildete Fachleute an die Grundschule schicken und intensiv arbeiten lassen“, sagt er: „Das Klassenlehrer-Prinzip ist schön und gut und sollte weitestgehend erhalten bleiben. Aber beim Sport ist die Frage: Was wäre langfristig das kleinere Übel?“

Wie er haben sich Sportpädagogin Sabine Hafner von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, Günther Pöhland, kürzlich pensionierter Sportlehrer am Dillinger Albert-Schweitzer-Gymnasium, und Christine Sinnwell-Backes, Leiterin der Offenen Ganztagsschule Nalbach, in der SZ zu Wort gemeldet. Hafner wertet die Abschaffung der dritten Sportstunde als „fatal falsch“. Pöhland sagt, dass Ansprüche des Schulsports und Wirklichkeit dessen, was Kinder können, aneinander vorbei gingen – und sagt, Schulsport stehe heute zu sehr im Zeichen der „Wellness-Bewegung“: „Schulsport ist nur noch auf Wohlfühlen und Spaß ausgelegt, und nicht auf Förderung leistungsschwächerer Schüler.“ Sinnwell-Backes verweist auf das Konzept ihrer Schule, an der Kinder täglich ein anderthalbstündiges Bewegungsangebot wahrnehmen können. Die Schule arbeitet mit örtlichen Clubs zusammen.

Meinungen und Ideen sind gut für Diskussionen, was zählt, sind Taten in Politik und Schulen. Bei der Tagung „Freizeit im Ganztag mal anders“ in Saarbrücken sprach Sportlehrer Achim Raubuch über einfache und günstige Ergänzungen der Bewegungsangebote (siehe Text). „Kinder müssen die Pausen nutzen können, um sich auszutoben“, sagt er und meint die Wiedergeburt der Schulhof-Spiele wie Springhäuschen, Seilspringen oder Gummi-Twist. Auch sollten Schulen die Nutzung der Multifunktionsfelder in Pausen erlauben.

Veröffentlicht seit Mitte September 2012 in unterschiedlichen Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung.

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„Wir haben ein Ausbildungsproblem“

Leistung steht nicht mehr im Mittelpunkt bei der Benotung im Sportunterricht SZ-Interview mit Professor Dr. Georg Wydra, dem Präsidenten des Sportlehrer-Verbandes – SZ-Serie, Teil 7

Saarbrücken. Professor Dr. Georg Wydra ist seit Oktober 1995 Inhaber der Professur für Gesundheits- und Sportpädagogik an der Universität des Saarlandes und Präsident des Deutschen Sportlehrer-Verbandes im Saarland. SZ-Mitarbeiter Sebastian Zenner hat im Rahmen der Serie „Schule und Sport“ mit Wydra gesprochen – über Fachlehrermangel, die fehlende Ausbildung und das föderale Bildungssystem in Deutschland. Vor etwa zehn Jahren wurde für das Schulfach Sport ein neues Konzept entwickelt. Anstelle der Leistung werden sechs pädagogische Perspektiven beachtet, unter anderem die Entwicklung des Gesundheitsbewusstseins.

Herr Prof. Dr. Wydra, die Notwendigkeit des Schulfaches Sport wurde bisher von keinem der Gesprächspartner im Rahmen der SZ-Serie „Schule und Sport“ in Frage gestellt. Woher kommt die Einigkeit?

Prof. Dr. Georg Wydra: Der Sportunterricht ist ein Beitrag zur Allgemeinbildung. Und das bedeutet: Bildung für alle. Was die Sportpartizipation angeht, haben wir schon eine soziale Schieflage. Zum Beispiel sind hier insbesondere weibliche Migranten in erheblichem Maße benachteiligt. Die soziale Schichtzugehörigkeit oder auch das Wohnquartier spielen dabei eine Rolle. Nicht alle haben Zugang zu Sport. Auch um alle Bereiche des menschlichen Daseins im Bildungssystem abzubilden, braucht man den Sport. In welchem anderen Bereich wird das Leibliche, das Spielerische oder der natürliche Bewegungsdrang, die zweifelsohne anthropologische Grundgrößen sind, berücksichtigt? Leider leben wir in einer Zeit der Ökonomisierung. Die Ökonomen und die Industrie machen irgendwelche Vorgaben, und man sieht gerade aktuell, dass die Bologna-Bildungsreform gescheitert ist, weil man Ökonomen gefolgt ist. Wir müssen einfach einsehen, dass es jenseits der Ökonomie bestimmte Größen gibt, die man berücksichtigen muss. Und der Sportunterricht, oder besser noch bildet es der früher verwendete Begriff „Leibeserziehung“ ab, gehört einfach dazu.

Was genau meinen Sie mit der Ökonomisierung der Bildung?

Wydra: Ende des letzten Jahrtausends haben viele internationale Gremien und Institutionen, allen voran die OECD, die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystems kritisch hinterfragt. Die PISA-Studie hat, angelehnt an zweifelhafte Indikatoren, Deutschland ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Es wurde maßgeblich unterstützt, auch von der Wirtschaft, eine Reihe von Reformen wie das achtjährige Gymnasium und die Bologna-Reformen auf den Weg gebracht. Bei der Argumentation ging es nur darum, dass Deutschlands Schul- und Hochschulabsolventen angeblich zu alt waren. In diesen Tagen hören wir, dass die Wirtschaft mit 22-jährigen Bachelorn wenig anfangen kann, weil ihnen die Reife für Führungsaufgaben in der Industrie fehlt.

Ein Problem, das in unserer Serie schon mehrfach angesprochen wurde, ist der Fachlehrermangel an Grundschulen. Wie konnte es dazu kommen?

Wydra: Wir haben das Dilemma, dass die Pädagogische Hochschule des Saarlandes 1978 geschlossen wurde und damit auch die Sportlehrer-Ausbildung für die Grundschule abgeschafft wurde. Seitdem kamen die Grundschul-Lehrerinnen und -Lehrer aus Landau zu uns, aber größtenteils ohne Kompetenzen in diesem Bereich. Ab dem kommenden Wintersemester werden diese Leute wieder hier ausgebildet. Wir haben ein Ausbildungsproblem, weil viele Lehrerinnen und Lehrer in Grundschulen einfach keine Ausbildung in Kunsterziehung, in Musikerziehung und in Sporterziehung gemacht haben. Das liegt aber an der Kultusministerkonferenz, die diese Fächer vor ein paar Jahren unter dem Begriff „ästhetische Bildung“ zusammengefasst hat. Meiner Meinung nach muss jeder Grundschul-Lehrer in diesem ästhetischen Bereich ausgebildet sein.

Inwiefern betrifft die Einführung von Ganztagsschulen den Sport allgemein?

Wydra: Die Vereine, vor allem des Leistungssports, werden langfristig nur existieren können, wenn sie sich Gedanken machen, wie man außerhalb vom Elitegymnasium die sportliche Aktivität fördern kann. Der Ganztag bietet hierfür ja eine Riesenchance. Aber dort müssen ausgebildete Sportlehrerinnen und Sportlehrer diese Kapazitäten übernehmen. Es wird ein großes Erwachen der Vereine und Verbände geben, wenn irgendwann kein Nachwuchs mehr da ist. Das ist ein generelles Problem: Inwieweit können wir den Leistungssport in Deutschland noch mit ehrenamtlichen Kräften vorantreiben? Diese Diskussion ist ja gerade jüngst nach dem Abschneiden der deutschen Olympioniken in London wieder entbrannt. Wir brauchen mehr hauptamtliche, gut bezahlte Trainer, um das Ganze zu professionalisieren.

Die Auswirkungen auf den Leistungssport sind das eine. Inwieweit könnte ein Mehr an Schulsport – einhergehend mit einem Mehr an Fachkräften – Nutzen für die Breite bringen?

Prof. Dr. Wydra: In einer Dissertation aus Köln wurde festgestellt, dass an den Tagen, an denen Sportunterricht stattfindet, wesentlich weniger Unterrichtsstörungen in anderen Fächern zu beobachten waren. Einfach als Folge dessen, dass sich die Schülerinnen und Schüler ausgetobt haben und deshalb innerlich zur Ruhe gekommen sind. Optimal wäre es sicherlich, wenn man in der Schule nach einer halben Stunde sportlicher Betätigung in den Alltag starten würde. Das haben übrigens Studien aus den USA und auch Modellprojekte in Deutschland bewiesen.

Sollten Schulen im Saarland ähnliche Projekte initiieren?

Wydra: Bevor man neue Projekte startet, muss die Schule im Saarland mal zur Ruhe kommen. Wenn sich die jüngsten Veränderungen in den nächsten Jahren gesetzt haben, wird man vielleicht auch in diesem Bereich wieder etwas mutiger werden.

Sollte Bildung Ihrer Meinung nach Bundessache sein?

Wydra: Die Väter des Grundgesetzes haben sich bei der föderalen Struktur und auch dabei, die Kulturhoheit bei den Ländern zu belassen, schon etwas gedacht. Es ist, denke ich, nicht gut, wenn alle Entscheidungen – wie zum Beispiel in Frankreich – zentral getroffen werden. Wir haben hier in Deutschland einen Wettbewerb zwischen den Ländern, und irgendwann wird sich das beste System durchsetzen. So wie es auch das Konzept des erziehenden Sportunterrichts in den meisten Bundesländern getan hat (siehe auch Randtext). Natürlich könnte man das eine oder andere noch besser abstimmen, aber ich finde das föderale System gar nicht so verkehrt.

Erfolge über ein neues Konzept

Saarbrücken. Mit einem Zitat aus dem 18. Jahrhundert von Jean-Jacques Rousseau eröffnete Professor Dr. Georg Wydra die Gesprächsrunde mit der SZ sowie den Landesfachkonferenz-Mitgliedern Albrecht Berkenkamp (Landesfachberater Sport und Vorsitzender der Landesfachkonferenz Sport) und Gerhard Dahm (Fachleiter Sport): „Vor allem wegen der Seele ist es nötig, den Körper zu üben, und gerade das ist es, was unsere Klugschwätzer nicht einsehen wollen.“

Der Satz gilt als Leitspruch des Landesverbands Saar des Deutschen Sportlehrerverbands (DSLV-Saar) für das Jahr 2012. „Sport gehört zum Bildungsauftrag, daran führt kein Weg vorbei“, sagt Albrecht Berkenkamp. Gerhard Dahm, der zwischen 2000 und 2010 Vorsitzender der Lehrplankommission war, ergänzt: „Das eigentliche Ziel ist, die sportliche Handlungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen herzustellen. Wenn sie aus der Schule kommen, sollten sie in der Lage sein, Sport zu treiben.“

Um dies zu gewährleisten, wurde vor etwa zehn Jahren ein neues Unterrichtskonzept für das Fach Sport etabliert, der „mehrperspektivische Sportunterricht“. Früher stand die Leistung im Mittelpunkt der Benotung, heute ist das anders: „Die Sichtweise ist viel differenzierter geworden. Wir betrachten sechs pädagogische Perspektiven, bei denen die Leistung auch einen Teil darstellt, aber eben einer unter vielen“, erklärt Dahm und verweist auf die Notwendigkeit, Kindern schon im Grundschul-Alter über den Sportunterricht ein gesundheitliches Bewusstsein zu vermitteln. Die neuen pädagogischen Perspektiven sind: Verbesserung und Erweiterung der Wahrnehmungsfähigkeit und der Bewegungserfahrungen, körperliches Ausdrücken und Bewegungsgestaltung, die Entwicklung eines Gesundheitsbewusstseins und die Verbesserung der Fitness, etwas wagen und verantworten, das Erfahren und Reflektieren des Leistens und die soziale Perspektive des gemeinsamen Handelns und Wettkämpfens.

Ein wesentlicher Aspekt der Lehrplan-Veränderung war auch die Erschließung von Bewegungsfeldern statt der Orientierung an klassischen Sportarten. Seither wird versucht, den Schülerinnen und Schülern den Spaß am Sport und die Eigenmotivation durch spielerische Anreize nahe zu bringen. Hilfestellung für die Umsetzung des Konzepts erhalten die Sportlehrer über das umfangreiche Fortbildungsangebot des Landesinstituts für Pädagogik und Medien (LPM). „Seit das Konzept durchgesetzt wird, sind die Noten im Fach Sport mittlerweile relativ gut“, stellt Albrecht Berkenkamp fest. Dass die Kinder und Jugendlichen ohnehin Spaß am Unterrichtsfach Sport haben, ist durch unterschiedliche Studien belegt.

„Es wäre sehr schön, wenn man es erreichen könnte, dass jedes Kind im Saarland schwimmen lernt“, wünscht sich Albrecht Berkenkamp. Allerdings wurde aufgrund von vermehrten Schwimmbad-Schließungen vor etwa vier Jahren das Schwimmen aus dem Lehrplan des gymnasialen Neigungsfachs (früher: „Leistungskurs“) Sport gestrichen. „Ich halte einen Förderunterricht für Schüler mit starken motorischen oder körperlichen Defiziten für dringend notwendig“, äußert Berkenkamp einen weiteren Wunsch.

Im Internet:

lpm.uni-sb.de

dslv-saar.de

swi-uni-saarland.de

Veröffentlicht seit Ende August 2012 in unterschiedlichen Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung.

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Mehr Anreize zur Bewegung schaffen

Regionalverband setzt auf Jürgen Thielen – zwei Projekte angekurbelt Regionalverband plant, in Außenanlagen seiner Schulen zu investieren – SZ-Serie „Schule und Sport“, Teil 6

Der Regionalverband will den Schülern mehr Möglichkeiten zur Bewegung bieten. Dafür soll in den nächsten fünf bis zehn Jahren investiert werden. Problematisch bleibt weiterhin der Schwimmunterricht.Mängel an den Sportgeräten, höhere Anforderungen durch die Ganztagsschulen – Jürgen Thielen hat sich dieser Problematik angenommen. Seit vier Jahren kämpft er um die Verbesserung des Schulsports.

Regionalverband. In den bisherigen Teilen unserer Serie „Schule und Sport“ wurden wissenschaftliche Erkenntnisse, Initiativen und Meinungen rund um das Thema Schulsport vorgestellt. In diesem Teil werden Herausforderungen aus Sicht der Schulträger am Beispiel des Regionalverbandes Saarbrücken verdeutlicht.

Um den Herausforderungen gerecht zu werden, hat sich der Regionalverband vor vier Jahren Jürgen Thielen ins Boot geholt. „Als Diplom-Sportlehrer weiß er, wo der Schuh drückt und bringt ein anderes Verständnis für die Sportlehrer an den Schulen mit“, sagt Peter Schwarz, Leiter des Bereichs Schulverwaltung beim Regionalverband. Verwaltungsdirektor Arnold Jungmann ergänzt: „Herr Thielen hat die Aufgabe, in den Schulsport-Bereich etwas Bewegung zu bringen.“ Zu diesen Bereichen gehören unter anderem die bauliche Instandhaltung der Schulen und die sachliche Ausstattung der Sporthallen.

Aktuell plant der Regionalverband, in den nächsten fünf bis zehn Jahren in die Gestaltung der Außenanlagen seiner Schulen zu investieren. Um mehr Anreize zur Bewegung zu schaffen: „Wir wollen die kurzen Pausen und andere Rand- und Nischenzeiten für Sport in der Schule nutzen“, meint Peter Schwarz und nennt als Vorzeigeprojekt den Fitnessraum, der an der Graf-Ludwig Gesamtschule Völklingen-Ludweiler eingerichtet wurde. Aus dem Bestand eines ehemaligen Fitnessstudios konnte die Schule Sportgeräte günstig erstehen und den Schülern zur Verfügung stellen. „So etwas würden wir uns für alle unsere Schulen wünschen. Aber das können wir nicht von heute auf morgen machen. Dafür brauchen wir Zeit. Und es hängt natürlich auch von den finanziellen Möglichkeiten ab“, weiß Verwaltungsdirektor Jungmann.

Dass die finanziellen Belastungen für die Schulträger mit der Einführung von Ganztagsschulen gestiegen sind, erklärt Jürgen Thielen: „Eine Tischtennisplatte und ein alter Basketballkorb auf eine versiegelte Fläche zu stellen, reicht heute nicht mehr für das Mehr an Zeit, das die Kinder und Jugendlichen an der Schule verbringen.“ Thielen selbst wünscht sich für die Zukunft ein „Kompetenzteam, unter anderem mit Landschaftsgärtnern und Architekten, um an jedem Standort eine Bestandsanalyse zu machen und den künftigen Aufgaben gerecht zu werden. Wir wollen künftig bei den Schülern nachfragen und ihre Wünsche bei der Planung in den Mittelpunkt stellen. Dann wird man feststellen, dass eine Umgestaltung des Geländes, die den Bedürfnissen der Schüler entspricht, gar nicht so teuer sein muss.“

Zum echten Problem entwickelt sich derweil der Schwimmunterricht. Durch die Schließungen von Bädern im Gebiet des Regionalverbands (zuletzt in Quierschied) müssen Abläufe optimiert werden. Peter Schwarz: „Schwimmunterricht muss umgesetzt werden und wir als Schulträger müssen die Möglichkeiten dazu bieten. Das machen wir auch, aber wir können nicht ausschließen, dass es dabei zu Verlagerungen kommt.“ Um den Zeitverlust zu minimieren, der durch den Anfahrtsweg zur Schwimmstätte und das Umziehen entsteht, erhofft sich Arnold Jungmann mit dem Bildungsministerium in eine Diskussion um die Einführung einer zusätzlichen Pufferstunde zu kommen.

Thielen bringt frischen Wind

Regionalverband. Diplom-Sportlehrer Jürgen Thielen wurde vor vier Jahren zum Regionalverband geholt, um die Verwaltung fachlich besser aufzustellen und nach der Aussage von Verwaltungsdirektor Arnold Jungmann „etwas Bewegung“ in den Schulsport-Bereich zu bringen. Leisten will Thielen dies vor allem mit dem Projekt „Pro Schulsport“. Zunächst veranlasste Thielen zwischen 2009 und 2011 eine an allen Schulen durchgeführte Sicht- und Funktionsprüfung der Sportgeräte.

Auch die Außenanlagen für den Sportunterricht wurden überprüft. Ein Ergebnis: Die Geräte hatten Mängel, die für insgesamt 140 000 Euro saniert wurden. Von nun an dürften sich die jährlichen Kosten für Sanierungen nach Schätzungen des Regionalverbandes auf einen Betrag zwischen 70 000 und 80 000 Euro belaufen. Mit dem Aufwand könnten Geräte in einem Zustand gehalten werden, der für die Erfüllung des Lehrplans notwendig ist und Sicherheit gewährleistet. „Das heißt aber natürlich nicht, dass wir auf dem neuesten Stand der Sportgeräte-Ausstattung sind“, sagt Thielen.

Nach dem Projekt „Pro Schulsport“ wurde Thielen vom Regionalverband mit der Aufgabe betraut, die steigenden Anforderungen, die aufgrund der Zunahme an Ganztagsschulen entstehen, in ein Konzept zur Schulentwicklung einfließen zu lassen. Daraus gehen vier Module hervor: die Schulhofgestaltung, das Thema Bewegung und Ernährung, die Raumgestaltung und die Vernetzung mit außerschulischen Kooperationspartnern. Gerade für Letzteres hat der Regionalverband ein offenes Ohr: „Ohne Kooperationspartner geht es nicht. Je mehr wir finden, desto mehr können wir mit dem gleichen Geld an unseren Schulen machen“, erklärt der Leiter der Schulverwaltung im Regionalverband, Peter Schwarz.

Insbesondere gehe es dabei um Sachausstattung. „Wir haben im Saarland klare Regeln, wie es auszusehen hat, aber Sponsoring an Schulen ist erlaubt“, betont Schwarz und verweist auf das Interesse der Krankenkassen an qualitativ hochwertigem Schulsport. Das wiederum haben die Kassen in unserem Serienteil mit dem Titel: „Klares Plädoyer für den Schulsport“ (erschienen am 9. Juli 2012) bestätigt. Auch Jürgen Thielen sieht dies positiv: „Entsprechende Konzepte gibt es schon in anderen Bundesländern“, weiß er.

Rund 3,7 Millionen Euro fließen in schulische Baumaßnahmen

Regionalverband. Seit 2008 heißt der „Stadtverband Saarbrücken“ „Regionalverband Saarbrücken“ und ist ein Verband benachbarter Städte und Gemeinden im Großraum Saarbrücken, der sich der Lösung übergreifender Probleme verschrieben hat und die Aufgaben eines Landkreises erfüllt. Schwerpunkte liegen in den Bereichen Jugend und Soziales, für die der Regionalverband nach eigenen Angaben rund 80 Prozent seines 280 Millionen-Euro-Haushaltes aufwendet.

Als einer der größten kommunalen Schulträger im Südwesten ist der Regionalverband für 75 Allgemeinbildende und Berufliche Schulen mit etwa 37 000 Schülern an 50 Schulstandorten zuständig. Genauer gesagt: für die äußeren Schulangelegenheiten, wie der Leiter der Schulverwaltung, Peter Schwarz, erklärt: „Die inneren Angelegenheiten, also die Pädagogik, Lehrpläne und die Bezahlung der Lehrer und Schulleiter sind Sache des Bildungsministeriums.“ Zu den Aufgaben des Regionalverbandes zählen zum Beispiel die Gewährleistung der Umsetzbarkeit der Sport-Lehrpläne durch ordnungsgemäße Sachmittel – wie Sporthallen, Sportgeräte und Schwimmstätten, was durch die Schließung kommunaler Bäder stets schwieriger wird.

Finanziert werden die Projekte durch Geld der Kommunen, von denen viele verschuldet sind. Die hohen Ausgaben im sozialen Bereich beschränken nach Angaben von Verwaltungsdirektor Arnold Jungmann die finanziellen Möglichkeiten für Schulen und Schulsport. Mitte Juli veröffentlichte der Regionalverband in einer Pressemitteilung, dass an 40 Schulen seiner Trägerschaft während der Sommerferien teils umfangreiche Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt würden. Nach Angaben des Regionalverbandsdirektors Peter Gillo summieren sich die Kosten der Investitionen auf 3,7 Millionen Euro.

Veröffentlicht seit Mitte August 2012 in unterschiedlichen Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung.

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Verknüpfung von Unterricht und Sport

Zahlreiche Titel für Rotenbühl-Schüler – Puhl und Bimperling in London dabei Eliteschule unterstützt Nachwuchssportler im Saarland – Schulzeitstreckung möglich – SZ-Serie, Teil 5

Seit 2005 trägt das Gymnasium am Rotenbühl den Titel „Eliteschule des Sports“. Im kommenden Schuljahr wird sie über 1000 Schüler umfassen, die Unterricht und Sport effizient kombinieren können. Jahr für Jahr feiert das Gymnasium am Rotenbühl als Eliteschule des Sports Erfolge. Auch 2012 haben die Schüler international geglänzt – manche haben es sogar zu Olympia geschafft.Im Saarland werden gezielt Schülerinnen gefördert, die einen Weg in Richtung Profi-Fußball einschlagen wollen. Entscheidende Faktoren sind hier das familiäre Umfeld, die räumliche Nähe und die Vernetzung der Sportförderung.

Saarbrücken. „Elite bezeichnet eine Gruppierung überdurchschnittlich qualifizierter Personen“, lautet die verkürzte Definition einer populären Internet-Enzyklopädie. Seit dem 15. September 2005 trägt das Gymnasium am Rotenbühl den Titel „Eliteschule des Sports“ und sorgt seither dafür, dass zahlreiche sportlich talentierte Schülerinnen und Schüler zu diesen „überdurchschnittlich qualifizierten Personen“ ihrer Sportart werden. Bundesweit gibt es 38 Schule-Leistungssport-Verbundsysteme, dem das Gütesiegel „Eliteschule“ vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verliehen wurde. Das Gymnasium am Rotenbühl, dessen wichtigster Partner der Landessportverband für das Saarland (LSVS) ist, stellt die einzige im Saarland.

Über 1000 Schülerinnen und Schüler besuchen das Gymnasium am Rotenbühl im kommenden Schuljahr, 259 davon sind saarländische Nachwuchssportler, die in elf Sportklassen untergebracht sein werden. Etwa 115 von ihnen gehören zu Schulbeginn einem Landeskader und mindestens 21 sogar einem Bundeskader ihrer jeweiligen Sportart an. Zahlen, über die sich Lothar Altmeyer, Leiter des Sportzweigs, freut: „Insgesamt sind wir natürlich stolz darauf, dass wir die Anzahl der Sportschüler noch einmal steigern konnten und mittlerweile über unserem damaligen Ansatz liegen, wonach wir 250 Schüler als Endstufe zum Ziel hatten“, sagt Altmeyer und erklärt: „Dadurch, dass wir in der Klasse fünf seit dem vergangenen Jahr immer zwei statt nur einer Sportklasse einstufen, kommen wir über diese Zahl hinaus.“ Der Andrang auf Sportklassen ist zu groß, um nur eine Klasse aufzunehmen. Und das, obwohl es einen Aufnahmetest gibt. Bis vor zwei Jahren musste die Schule mehr Bewerber abweisen als aufnehmen, mittlerweile nimmt sie etwa die Hälfte an. „In den kommenden Jahren werden wir uns wohl der Zahl 300 nähern“, prophezeit Altmeyer.

Die Sportarten, die von der Eliteschule unterstützt werden, sind Badminton, Fußball, Gerätturnen, Handball, Leichtathletik, Ringen, Rhythmische Sportgymnastik, Rudern, Schwimmen, Tennis, Tischtennis und Triathlon. Der gewichtigste Vorteil für die Eliteschülerinnen und Eliteschüler sind die nahezu optimalen Trainings- und Förderbedingungen. Durch die Anbindung an die professionell ausgestattete Sportstätten der Hermann-Neuberger Sportschule in Saarbrücken, den Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland sowie zu den sportwissenschaftlichen und sportmedizinischen Instituten der Universität des Saarlandes können die Nachwuchssportler effizient gefördert werden. Der Sportzweig des Gymnasiums ermöglicht seinen Schülerinnen und Schülern durch die effiziente und altersgerechte Kombination von Training und Unterricht, Leistungssport zu betreiben, ohne die schulischen Leistungen zu vernachlässigen.

In den Klassenstufen fünf und sechs haben die Schülerinnen und Schüler des Sportzweigs vier Unterrichtsstunden Sport pro Woche, dazu kommen nachmittags zwei Stunden Trainings-AG mit halbjährlich wechselnden Sportarten – eine „vielseitige Sportartenerprobung“, wie es die Schule selbst nennt. In der Klassenstufe sieben gibt es fünf Unterrichtsstunden Sport und es findet die Orientierung zu einer Spezialsportart statt. Außerdem müssen die Siebtklässlerinnen und Siebtklässler einen motorischen Aufnahmetest für die achte Klasse bestehen. Gelingt dies, wird der Sportunterricht in den Klassen acht bis zehn auf sechs Wochenstunden erhöht, wobei vier Stunden in der jeweiligen Spezialsportart abgehalten werden. Dafür entfällt die dritte Fremdsprache und Sport wird zum schriftlichen Fach. In der Oberstufe, also den Klassen elf bis maximal 13, ist Sport dann Hauptfach, in das die auch die jeweilige Spezialsportart eingebracht wird. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit der Schulzeitstreckung, also der Verlängerung der Unterrichtszeit (eigentlich bis 12. Klasse) um ein Jahr. Das hat sich nach der Einführung vor drei Jahren laut Altmeyer positiv ausgewirkt.

rotenbuehlgym.de

Nächster Halt: Olympia

Saarbrücken. Dass die Einrichtung der Eliteschule des Sports in Saarbrücken sich gelohnt hat, zeigen die jüngsten Erfolge bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Mira Bimperling und Cathrin Puhl aus der Rhythmischen Sportgymnastik (beide Jahrgang 1994, TV Rehlingen) sind sogar bei Olympia in London vertreten. Sie wurden in der Saarbrücker Eliteschule in Sportklassen eingeschult, worauf der Leiter des Sportzweigs, Lothar Altmeyer, stolz ist: „Es sollte das Ziel einer jeden Eliteschule des Sports sein, Schüler zu Olympischen Spielen schicken zu können.“

Auch die Mannschaften der Eliteschule sind bei „Jugend trainiert für Olympia“ sehr erfolgreich. Insgesamt konnten sie seit 2005 15 Medaillen gewinnen – darunter vier goldene (2012: Tischtennis Mädchen, 2011: Team Badminton, 2010: Handball Jungen und 2008 Tischtennis Jungen). In jüngster Zeit konnten folgende Eliteschüler an renommierten Wettbewerben Erfolge feiern:

Triathlon: Hanna Philippin (1992, VfL Sindelfingen) gewann Bronze bei der Junioren-EM 2011 und bei der Junioren-WM 2011 und wurde zur Eliteschülerin des Jahres 2011 gewählt. Marian Schmidt (1993) wurde bei der Junioren-EM Elfter und bester Deutscher. Jonas Breinlinger (1994) wurde bei der EM 33. Jonas Nawrath (1995, alle DJK St. Ingbert) landete dort auf Platz 41.

Freiwasserschwimmen: Antonia Massone (1997, ATSV Saarbrücken) holte bei der Junioren-EM in der Türkei Team-Gold mit Felix Bartels (1996, WSF Zweibrücken), der ab dem kommenden Schuljahr Saarbrücker Eliteschüler ist.

Ringen: Marc-Antonio Von Tugginer (1993, KV Riegelsberg) wurde bei der Junioren-Europameisterschaft im griechisch-römischen Stil 13.

Turnen: Pauline Schäfer (1997, TV Eppelborn/TV Pflugscheid-Hixberg), belegte bei der Junioren-EM mit der Mannschaft Platz fünf und schloss die DM mit drei Medaillen (je einmal Gold, Silber und Bronze) ab.

Leichtathletik: Die Behindertensportlerin Maike Hausberger (1995, Post SV Trier) wurde kürzlich Vize-Europameisterin im Weitsprung und Vize-Europameisterin mit der 4×100-Meter-Staffel. Sie hat deshalb gute Chancen, für die Paralympics 2012 nominiert zu werden.

Handball: Yves Kunkel (1994, HSG Völklingen/HG Saarlouis) wurde mit der Junioren-Nationalmannschaft Europameister. Michael Schulz (1996, Saarlouis) und Jerome Müller (1996, SV Zweibrücken) nahmen im Juli am Lehrgang der A-Jugend Nationalmannschaft teil.

Aus dem Saarland hinein in die Fußball-Nationalmannschaft

Saarbrücken. Zwei Jahre nach der Gründung der Eliteschule des Sports am Gymnasium am Rotenbühl wurde in Saarbrücken eine weitere Eliteschule ins Leben gerufen: die „Eliteschule des Mädchen- und Frauenfußballs“. Bei ihr handelt es sich um eine Institution des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), neben dem auch der Saarländische Fußball-Verband (SFV) und weitere Kooperationspartner zum Funktionieren beitragen: der Landessportverband für das Saarland (LSVS), die Partnerschulen Gymnasium am Rotenbühl, Gesamtschule Rastbachtal, Erweiterte Realschule Güdingen und die Wirtschaftsschulen Saarbrücken sowie die Fußballvereine 1. FC Saarbrücken, SV Bardenbach, FSV Jägersburg und SV Dirmingen.

Im gesamten deutschen Raum gibt es neben Saarbrücken lediglich drei Eliteschulen – nämlich in Bad Neuenahr, Kamen-Kaiserau sowie in Potsdam –, die sich ausschließlich auf die fokussierte Ausbildung im Mädchen- und Frauenfußball spezialisiert haben. Das familiäre Umfeld durch die räumliche Nähe und die engmaschige Vernetzung der Sportförderung im Saarland sieht man beim Deutschen Fußball-Bund als entscheidenden Standortvorteil Saarbrückens. Auch für die ehemalige Fußball-Bundestrainerin Tina Theune-Meyer ist dies ein ausschlaggebender Faktor für die positive sportliche Entwicklung der Schülerinnen im Saarland.

Die Leiterin der Saarbrücker Eliteschule ist zugleich die Verbandssportlehrerin des Saarländischen Fußball-Verbandes, Margret Kratz. Sie war früher selbst Nationalspielerin und hat das Konzept für die erfolgreichen Eliteschulen entwickelt.

Ihr selbsterklärtes Ziel ist es, Spielerinnen aus dem Saarland und den Nachbarländern an den Profi-Fußball heranzuführen und zu Nationalspielerinnen auszubilden. Das geschieht mit einem ausgeklügelten individuellen Trainingsplan, den Margret Kratz zusammen mit Trainern entwickelt, die sie in ihrer Arbeit unterstützen. Diese sind: Benjamin Heinrichs, Kai Klankert, Oliver Dillinger, Jan Neubauer, Marion Zapp sowie Torwarttrainer Frank Kackert. zen

Foto: Dietze

„Wir sind natürlich stolz darauf, dass wir die Anzahl der Sportschüler noch einmal steigern konnten.“

Lothar Altmeyer, Leiter des Sportzweigs

Auf einen Blick

Im Saarland ausgebildete Fußballerinnen, die es in eine Nationalmannschaft ihres Jahrgangs geschafft haben, sind nach Angaben des SFV: Christina Arend (Jahrgang 1986), Meike Dinger (1987), Romina Holz (1988), Nadine Keßler, Josephine Henning und Lisa Schwab (alle 1989), Selina Wagner (1990), Dzsenifer Marozsan und Laura Vetterlein (1992), Elisabeth Scherzberg, Jacqueline de Backer, Madita Giehl, Julia Koch und Saskia Toporski (alle 1994), Jana Schwarz, Jannika Kowatzki, Fabienne Hissler (alle 1996) und Kim Fellhauer (1998).

Veröffentlicht seit Anfang August 2012 in unterschiedlichen Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung.

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