Warum die körperliche Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen zurückgegangen ist. SZ-Serie, Teil 3
Unsere Kinder leben ungesünder, weil sie immer mehr vorm Computer sitzen und immer weniger Sport treiben. Diese These vertreten im Saarland sicher viele Menschen. Sie scheint auch Sinn zu machen: Früher gab es kein Internet, das soziale Leben hat sich an der frischen Luft und nicht vom Sofa aus über die Datenautobahn abgespielt. Doch: Stimmt das wirklich? Welche Rolle spielt dabei der Schulsport?
Gerade zu gesundheitlichen Fragestellungen gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien. Eine solche, die das Zentrum für angewandte Gesundheitswissenschaften (ZAG) der Leuphana Universität Lüneburg und das Institut für Psychologie im Auftrag der Krankenkasse DAK vor etwa drei Jahren durchgeführt haben, belegt zumindest, dass sich vor allem Stresssymptome bei Schülerinnen und Schülern anhäufen.
Für die Studie wurden 4500 Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis 21 Jahren aus vier Bundesländern befragt. Ein Drittel der deutschen Schüler klagte demnach über regelmäßige körperliche (vor allem Bauch-, Kopf- und Rückenschmerzen) und seelische Beschwerden. Einige Jahre früher versuchten der Deutsche Sportbund (DSB, heute: Deutscher Olympischer Sportbund), die Krankenkasse AOK und das wissenschaftliche Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) mit ihrer Studie „Bewegungsstatus von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ einen Zusammenhang gesundheitlicher Probleme mit dem Bewegungsstatus herzustellen. Dafür wurden die motorischen Fähigkeiten von über 20 000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 18 Jahren getestet.
Eines der zahlreichen Ergebnisse dieser Untersuchung: Die körperliche Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Allein bei den Zehn- bis 14-Jährigen um mehr als 20 Prozent. Vor allem zeige sich dies im koordinativen Bereich und – bei Mädchen stärker als bei Jungen – im Ausdauerbereich. Wörtlich heißt es in der Studie: „Eine schlechte körperliche Fitness bereits im Kindesalter hat nicht nur häufig lebenslange negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Sie beeinträchtigt auch die Lebensqualität sowie das Sozialverhalten und das Lernvermögen von Kindern und Jugendlichen.“
Dass die befragten und getesteten Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen Bundesländern zur Schule gingen, erlaubte den Wissenschaftlern eine signifikante Feststellung: Wenn höchstens zwei Stunden Sportunterricht pro Woche erteilt werden, wirkt sich dies mit zunehmendem Jugendalter immer negativer auf die sportmotorische Leistungsfähigkeit aus. Ab drei und mehr Sportstunden pro Woche würde diese Tendenz nicht eintreten. Aufgrund des föderalen Bildungssystems in Deutschland variiert die Anzahl der Sportstunden von Bundesland zu Bundesland. Im Saarland werden derzeit zwei Stunden Sportunterricht pro Woche erteilt.
Langfristige Auswirkungen
Dass sich die Kinder und Jugendlichen offensichtlich weniger bewegen und dass dies langfristig gesehen Auswirkungen auf die Gesundheit sowie das Sozial- und Lernverhalten haben kann, weiß man also. Auch, dass sich bei nicht wenigen Schülerinnen und Schülern in der heutigen Zeit verschiedene Stresssymptome finden lassen, ist wissenschaftlich belegt. Dass der Schulsport ein Mittel sein kann, um dieser Entwicklungen entgegenzutreten, bestätigt die Forschung. Dass der Sportunterricht nicht allein die angesprochenen negativen Entwicklungen ausgleichen kann, sagt uns der Verstand.
Welche alternativen Möglichkeiten es rund um den Schulsport gibt, was saarländische Lehrer und Schüler vom Sportunterricht an den hiesigen Schulen halten und ob die saarländischen Politiker die Wiedereinführung der dritten Sportstunde planen, erfahren sie in den nächsten Teilen unserer Serie zum Thema Schulsport. < wird fortgesetzt
Veröffentlicht seit Ende Juni 2012 in unterschiedlichen Lokalausgaben der Saarbrücker Zeitung.