Sebastian Zenner nimmt an der Headis-Weltmeisterschaft in Saarbrücken teil – SZ-Serie, Teil 5
Zwei Tage lang haben mehr als 100 Teilnehmer in Saarbrücken um den Titel bei der Weltmeisterschaft im Headis gespielt. Einer davon war SZ-Mitarbeiter Sebastian Zenner im Rahmen der Serie „Wir machen mit!“.
Saarbrücken. Ich sitze an meinem Schreibtisch, und mir tut der Hintern weh. Eigentlich nicht nur der Hintern, sondern auch die Oberschenkel. Ich habe tierischen Muskelkater an Stellen, an denen ich Muskeln nie vermutet hätte. Außerdem hab ich Sonnenbrand und gefühlte 45 Grad Körpertemperatur. Nein, ich leide nicht an der Schweinegrippe. Dennoch habe ich mich angesteckt: Ich habe Headis (Kopfballtischtennis) gespielt. Um genau zu sein, habe ich an der Weltmeisterschaft am vergangenen Wochenende auf dem Uni-Gelände in Saarbrücken teilgenommen.
Es ist Samstagmorgen, 10 Uhr. Leicht verschlafen tapse ich über das Uni-Gelände in Richtung Multifunktionsfeld. Heute will ich Geschichte schreiben. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Schlagzeile aller Gazetten Europas: „Erster übergewichtiger Weltmeister einer Sportart – außer Gewichtheben“. Das wäre cool. Aber vor dem Ruhm kommt die Pflicht. Ich bin jedenfalls motiviert bis in die ungekämmten Haarspitzen. Und weil man für die Headis-WM zwingend einen Spitznamen braucht, bin ich der „Basti Funtasti“.
Um 10.30 Uhr beginnt die Einspielzeit. René Wegner, Erfinder von Headis, zeigt mir, wie man das Spiel richtig spielt. „Als Anfänger ist es besser, wenn man die Hände an der Platte lässt. Der Ball wird nur mit dem Kopf gespielt, aber du darfst mit dem ganzen Körper auf die Platte“, erläutert der diplomierte Sportlehrer. Der runde Gummiball wird mir von René (alias Headi Potter) zugespielt wie ein Tischtennisball. Allerdings mit dem Kopf statt mit einem Schläger. Macht nix, ich war eh nie ein Schlägertyp. Das weiße Spielgerät ist von der Größe her genau zwischen einem Tennis- und einem Fußball angesiedelt. Während ich mir diesen Vergleich für meinen Selbsterfahrungsbericht ausdenke, fliegt mir die Kugel schon an die Stirn – und danach ins Aus.
Der zweite Versuch hat meine volle Aufmerksamkeit. Ich werfe den Ball in die Luft und köpfe ihn so auf die Platte, dass er zu Renés Seite springt. Er spielt mir den Ball zurück, und wir haben unseren ersten Ballwechsel. Je länger wir uns einspielen, desto mehr Gefühl bekomme ich für mein Stellungsspiel.
Bis zur Auslosung bleibt noch etwas Zeit, also schaue ich mir die potenziellen Gegner an. Die erfahrenen drehen den Ball beim Aufschlag an, um den Gegner mit der Absprungrichtung zu täuschen. Ist notiert. Nach der Auslosung begutachte ich das Tableau. Die Liste der Spitznamen ist lang – und lustig: Headi Bobic, Headini, Headonis, Headrik, Ed Headi und viele mehr. Head ich mir auch was Besseres überlegen können . . . Und da, Gruppe 10: Basti Funtasti, Mickie Beluger, Kinpatsu und Headisaster.
Es kann losgehen. Nach vier Stunden Ausharren in der sengenden Hitze eröffne ich unsere Gruppe mit dem Match gegen Mickie Beluger. Ich komme gut ins Spiel und versuche, die eben gesehene Spin-Technik zu kopieren – und lasse es gleich wieder. Aber auch so erziele ich überraschend viele Punkte, der erste Satz geht mit 11:6 an mich. Noch ungläubig staunend über die eigene Leistung verliere ich den zweiten Satz mit 5:11. Den spielentscheidenden dritten Durchgang kann ich wieder offen gestalten, unterliege aber 7:11. Für den Anfang doch gar nicht mal so schlecht.
Der Nächste bitte. Es kommt Kinpatsu an die Platte. Hätte man mir erzählt, er sei Profi und verdiene sein Geld in der Headis-Champions-League, ich hätte es geglaubt. Kinpatsu trägt ein komplex um die Stirn gewickeltes Kopftuch, womöglich um den Ball besser zu kontrollieren, und einen japanischen Kampfanzug. Da sehe ich mit Plautze und verschwitztem Trikot der Hobbyfußballmannschaft FC Schamass alt aus.
Wie schon im ersten Spiel starte ich überraschend stark und kann den ersten Satz für mich entscheiden. 11:7 für Basti Funtasti, eine Sensation bahnt sich an. Der Halbprofi hat den Grund für seinen schlechten Start indes schnell ausgemacht. „Kannst du dir bitte den Schweiß von der Stirn abwischen? Wenn der Ball so nass ist, rutscht er immer weg.“
Ich spiele bei 30 Grad im Schatten mit einem in Leinenstoff eingewickelten Menschen namens „Kinpatsu“ eine Sportart namens Headis. Und dann soll ich mir, wie die Tennisprofis im Wimbledon, nach jedem Ballwechsel die Stirn abwischen? Ich tue es trotzdem, und es hilft. Jedenfalls ihm. Ich gehe in den nächsten beiden Sätzen 6:11 und 1:11 unter.
Bleibt noch das letzte Match gegen Headisaster. Ich gewinne den ersten Satz knapp mit 12:10. Vor sechs staunenden Zuschauern, darunter Kinpatsu und Mickie Beluger, führe ich Headisaster vor. 11:6 im zweiten Satz bedeuten meinen ersten Sieg und die Quali für die Endrunde.
Ich klopfe dem Unterlegenen sportsmännisch auf die Schulter und eröffne ihm gönnerhaft, dass er am Tag darauf für mich starten darf. Aus zeitlichen Gründen kann ich leider nicht an der Runde der besten 64 teilnehmen. Stattdessen sitze ich hier an meinem Schreibtisch und bin trotz aller körperlichen Qualen froh, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. Sonst headi was verpasst.
Veröffentlicht am 6. August 2009 in der Saarbrücker Zeitung